05 Jan
05Jan

ICH FRAGE mich, ob das ein schlechter Scherz ist, als der Festivalleiter ansetzt, meinen Kollegen Martin und mich zur Begrüßung zu umarmen. 

Wir haben uns wochenlang gefragt, ob es richtig ist, aus Berlin nach Sofia zu fliegen, hatten fast gehofft, dass uns die Entscheidung durch ein öffentliches Verbot abgenommen wird. Aber jetzt sind wir da, verlassen den Flughafen, treten in die bulgarische Oktobersonne und bleiben verwirrt stehen als wir wortwörtlich mit offenen Armen empfangen werden. 

Wir sind aus eben den Berliner Bezirken mit aktuell erschreckenden Infektionszahlen, fühlen uns als Gefahr für die anderen und winken schnell hektisch ab. Alternativ wird uns die Hand zum Einklatschen hingehalten, auch da schütteln wir wieder hektisch den Kopf, führen kurz die Ellenbogenbegrüßung vor, was aber ebenfalls unangenehm ist. Wie konnte die sich überhaupt durchsetzen? Wer findet denn diese Art von körperlicher Begrüßung angenehmer als sich lieber doch gar nicht zu berühren? Hat irgendjemand sie schon mal unironisch ausgeführt? 

Da stehen wir also, versuchen trotz Distanz nicht distanziert zu wirken und als die nächste Begrüßung ansteht, winkt der Festivalleiter gleich stellvertretend für uns ab: „They don’t hug.“ sagt er. Wir zucken die Schultern, nicken, ja, das stimmt wohl so.


NB






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