Mechthild Böhmer, Geigen Lehrerin, 56 


Wie verändert Corona die Choreographie des Alltags?


 Wie hat sich deine alltägliche Struktur verändert? 

Zum Glück kann ich als Geigenlehrerin wieder fast normal arbeiten. Ich vermeide allerdings den öffentlichen Nahverkehr und fahre Fahrrad. 


Wie hat sich Corona und die damit einhergehenden Veränderungen auf deine  Körperlichkeit ausgewirkt? 

Durch lange Fahrradfahrten mit schwerem Gepäck und immer wieder aufflammende Sorgen, Ängste und die Trauer über viele Leidende und Tote fühle ich mich körperlich oft ausgelaugt. 


Bewegst du dich durch Corona anders durch den Alltag? Wenn ja, wie? 

In der Stadt bewege ich mich so, als seien die Mensch mich abstoßende Magnete. Es gibt ein Kinderspiel mit Marienkäfern, die sich aufgrund von Magneten anziehen oder abstoßen. Daran denke ich manchmal.


Was beobachtest du bei anderen Menschen an Bewegungsveränderungen oder Veränderungen in der Körperlichkeit? 

Manche Menschen sind nicht bereit gemeinsam auf Abstand zu achten. Mit Anderen entsteht tatsächlich eine kleine rituelle Choreographie. Man sieht sich an und weicht sich aus. 


Was fehlt dir körperlich durch Corona? 

Ich würde gern mal wieder ganz frei atmen in der Nähe anderer Menschen. 


Welche körperlichen Aktivitäten oder Handlungen, die seit Corona aus dem Alltag verschwunden sind, fehlen dir überhaupt nicht? 

Umarmen und Händeschütteln sind nett, fehlen mir aber weniger, als ich dachte. 


Fühlst du dich seit Ausbruch von Corona anderen Menschen näher oder ferner? 

Manche guten Freunde entwickeln sich leider in eine schräge Richtung. Denen fühle ich mich doch sehr fern. Manches nette Telefonat bringt mehr Nähe als frühere persönliche Kontakte. 


Wann nimmst du andere Körper im Alltag als Bedrohung wahr? 

Wenn sie achtlos ihrer Wege gehen, ohne mich wahrzunehmen. 


Wann nimmst du deinen eigenen Körper als Bedrohung für andere wahr? 

Vom Kopf her bin ich sehr vorsichtig: Abstand, Coronatest vor dem Besuch meines Vaters, so gut wie keine Verabredungen..... Doch ich spüre die Bedrohung, die ich für andere sein kann kaum. 


Welche Elementaren Gewohnheiten haben sich für dich verändert und wie musst du umdenken? 

Es haben sich sehr schnell andere Gewohnheiten eingestellt: Maske tragen.... 


Was hat sich zwischenmenschlich/körperlich verändert? 

Dass man die Nähe von anderen Menschen als lebensbedrohlich für sich oder seine Nächsten empfindet, ist schon sehr traurig. 


Was hat sich für dich Körperlich- zwischenmenschlich positiv verändert?

Ich gönne den Mensch mehr, solange sie aufeinander achten. Vorher war ich sehr eingefahren im Tun und Denken. Ich glaube, mein Blick hat sich geweitet.